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14. Juli 2022 | Mobilität und Landschaft

Die Voie Verte in Genf – Langsamverkehr als wesentlicher Baustein für nachhaltige Raum­entwicklung im Funktionalraum

Das Gelingen der Mobilitätswende wird wesentlich davon abhängen, ob auch über grössere Distanzen attraktive Alternativen zum Auto zur Verfügung stehen werden. Dies gilt sowohl für den Pendelverkehr als auch für den stetig wachsenden Freizeitverkehr. Dass es sich dabei nicht einfach nur um Zukunftsmusik handelt, zeigt die grenz­überschreitende «voie verte» im Grossraum Genf. Dort soll über die nächsten Jahre ein grenz­über­schreitendes Fahrradwegnetz von 38 Kilometer entstehen, das das benachbarte Frankreich rasch, sicher und attraktiv mit dem Genfer Stadtzentrum verbindet.

Ein Augenschein dieser regionalen Veloroute lässt sich bereits heute auf dem 12 Kilometer langen Teilstück zwischen der neuen Haltestelle Eaux-Vives an den Ausläufern der Genfer Altstadt und der französischen Grenzstadt Annemasse nehmen, aber nicht nur dies. Auf dieser Teilstrecke des Léman Express, der neuen grenzüberschreitenden S-Bahn nach Frankreich, wurde die bestehende Nahverkehrsstrecke in den Untergrund verlegt. Das so freigelegte Trassee der Bahngeleise präsentiert sich heute als grosszügiger Fahrrad- und Fussgängerweg gesäumt von Rastplätzen mit Bänken. Nur wenige querende Strassen unterbrechen die Fahrt durch eine facettenreiche Stadtlandschaft, die sich immer wieder zu Grün- und Parklandschaften weitet. Die Haltestellen des Léman Express wurden von den französischen Architekten Jean Nouvel und Eric Maria entworfen. Grosse dunkel gehaltene kubische Glaskörper markieren die Eingänge zu den fünf Bahnhöfen. Die Umgebung der Bahnhofsgebäude wurde sorgfältig gestaltet und auf ihre jeweiligen räumlichen Funktionen und Nutzungen ausgerichtet sowie auf die angrenzenden Quartiere abgestimmt. Sind es bei der zentrumsnahen Haltestelle Eaux-Vives (vgl. Foto) kulturelle Magnete wie die Nouvelle Comédie der Pariser FRES Architects, steht an anderen Haltestellen wie etwa Chène Bourg (vgl. Foto) die Schaffung neuer Zentren und die Etablierung einer stimmigen Verbindung in die umliegenden Quartiere im Vordergrund.

An der Haltestelle Chêne-Bourg zeigen sich exemplarisch die Vorzüge einer Herangehensweise, in der sich Architektur, Städtebau und Landschaftsgestaltung mit der Förderung von Langsamverkehr und Biodiversität verbinden. Die klaren Geometrien der modernen Architektur der Bahnhofsgebäude definieren den Ort. Bänke und Gartenelemente in der unmittelbaren Umgebung der Ausgänge laden zum Verweilen ein, die Wege sind üppig bepflanzt. Wenige Schritte vom Bahnhof entfernt ragt die Tour Opale (vgl. Foto) der französischen Pritzkerpreis-Träger Lacaton Vassal in die Höhe. Über 20 Etagen stapelt sich ein vielfältiger Nutzungsmix – beginnend mit einem Erdgeschoss, das mit Café, Waschsalon und Fitnesscenter die Umgebung ins Haus einlädt. Darüber folgen fünf Geschosse mit Büronutzungen, anschliessend 14 Wohngeschosse. Beim anderen Ausgang fällt der alte denkmalgeschützte Bahnhof Chêne-Bourg ins Auge, der im Zuge des Tieferlegung der Eisenbahnlinie gegenüber seinem ursprünglichen Standort um 33 Meter verschoben wurde und nun als Zeuge der Geschichte des Ortes mit Restaurant und Kultureinrichtungen zu neuem Leben beitragen wird. Insgesamt setzt die Entwicklung um den Bahnhof Chêne-Bourg den gesetzlichen Auftrag zur Innenentwicklung geradezu lehrbuchmässig um. Städtebau und Verkehrsplanung gehen dabei Hand in Hand. Ein S-Bahn-Anschluss unmittelbar vor der Haustüre und eine attraktive regionale Veloachse werden so zu einem überzeugenden Katalysator nachhaltiger Stadtentwicklung.

Die Voie Verte und der Leman Express wurden beide im Rahmen des grenzüberschreitenden Agglomerations­programms für den Grossraum Genf erarbeitet. Seit 2012 zeichnet der Zweckverband Grand Genève für die Erarbeitung des Agglo-Programms verantwortlich. Mitglieder von Gran Genève sind die Kantone Genf und Waadt, sowie der französische Staat und die Departemente und Regionen im Grossraum Genf.

Ein Hinweis der Geschäftsstelle RZU: