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14. Juli 2021 | P.S. | aufgefallen

In Spaniens Städten gilt neu Tempo 30

Bemerkenswert: Seit 11. Mai gilt in den spanischen Städten eine neue Strassenverkehrsordnung, die mit Ausnahme von Stadtautobahnen und mehrspurigen, allein dem Automobil vorbehaltenen Strassen flächen­deckend Tempo 30 vorsieht.

Im ersten Moment erscheint dies als drastischer Schritt. Bei genauerem Hinsehen ist es nur ein Nachvollzug eines bemerkenswerten verkehrspolitischen Paradigmenwechsels, der in mehreren spanischen Städten bereits seit einiger Zeit umgesetzt worden ist. In Bilbao gilt das flächendeckende Tempo 30-Regime selbst auf den grossen Achsen. Und auch Madrid hat Tempo 30 schon im Jahr 2018 flächendeckend realisiert. Tempo 30 gilt auf etwa 80% der Madrider Strassen, auch auf der Gran Via, einer nach Pariser Vorbild angelegten, von reprä­sen­tativen Gebäuden gesäumten Hauptverkehrsader. In Barcelona gilt Tempo 30 auf etwa 75% der städtischen Strassen. Die Reduktion der Geschwindigkeit wurde vielerorts genutzt für einen Rückbau von Fahrspuren zugunsten von grosszügigeren Gehsteigen und neuen Platzanlagen.

210714 Bilbao Tempo 30

Strasse in Bilbao mit Tempo-30-Limit

Abb.: © Fermín Rodríguez

Gemäss Medienberichten, zum Beispiel in El Paìs oder ZEIT, treffen die neuen Vorgaben in Spanien auf breite Akzeptanz, selbst beim spanischen Automobilclub RACE. Begründet werden sie einerseits mit der in den Statistiken deutlich aufscheinenden Reduktion der Zahl von Verkehrsunfällen und -toten, so verringerte sich beispielsweise die Unfallquote in Bilbao seit der Einführung von Tempo 30 um 40 Prozent. Andererseits werden die Sicherheitsbedürfnisse der nicht-automobilen Verkehrsteilnehmer*innen und der Bekämpfung des Lärms für die Anwohner*innen zur Begründung angeführt. Insbesondere in Grossstädten zielt der Schritt ausserdem auf eine Reduktion der Schadstoffemissionen ab.

Ähnlich wie in vielen italienischen Altstädten stammen die Strassenraster der spanischen Städte oft noch aus Zeiten, die weit vor das automobile Zeitalter zurückgehen. Viele italienische Altstädte sind heute weitgehend verkehrsfrei, die Zufahrt ist nur noch mit entsprechender, über Webcams kontrollierter Berechtigung möglich. Spanien beschreitet mit der Temporeduktion hingegen einen anderen Pfad. Die neue Regelgeschwindigkeit ist Tempo 30. Überall dort, wo sich das Auto den Strassenraum mit anderen Verkehrsträgern teilt, gilt sogar Tempo 20. Damit wollte der Gesetzgeber eine klare Botschaft vermitteln: Es geht darum, die Gewichte grundsätzlich zu verlagern. Der öffentliche Raum soll von einem über die letzten Jahrzehnte einseitig dem Automobil über­lassenen Verkehrsraum zum gemeinsam geteilten Lebens-, Bewegungs- und Erfahrungsraum werden. Diese Einsicht wird heute in Spanien von einer breiten Allianz zwischen Politik, Verwaltung, Verkehrsverbänden und Zivilgesellschaft vertreten, die in den letzten gut 20 Jahren gewachsen ist.

Ein Hinweis der Geschäftsstelle RZU