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7. Juli 2022 | Beitrag zur Reihe «Labore der Innenentwicklung»

Quartierentwicklung Hohrainli in Kloten – dank Kreativität und Flexibilität soll die Blockade überwunden werden

Dieser Beitrag zur Reihe Labore der Innenentwicklung beleuchtet die Entwicklung im Quartier Hohrainli in Kloten. Das Wohnquartier mit rund 1400 Einwohnenden liegt in der Schneise des Flughafens Zürich. Die bauliche Struktur entstand in den 1960er bis 1980er Jahren. Im aktuell laufenden Modellvorhaben des Bundes wird das Quartier wie folgt beschrieben: «durchgrünte, aber identitätslose, kaum genutzte Aussenräume, viel Autoverkehr entlang der Siedlung, viel ruhender Verkehr in der Siedlung, ein hoher Anteil an Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen sowie viele Mieterwechsel.»

Angesichts dieser Problemfelder setzt sich die Stadt Kloten bereits seit längerem für eine Transformation des Hohrainli ein. Die Weiterentwicklung befand sich jedoch in mehrfacher Hinsicht in einer Zwickmühle. Die bestehende Bebauung mit zwei- bis sechsgeschossigen Gebäuden war in der rechtskräftigen zwei­­ge­schossigen Wohn-und Gewerbezone (WG2a) mehrheitlich nicht zonenkonform. Die Lärmschutz-Vorgaben verhinderten jedoch eine Auf- oder Umzonung. Die fehlende Entwicklungsperspektive hinderte viele Eigentümer:innen daran, in ihre Immobilien zu investie­ren. Eine Sanierung wurde zumeist mit dem Argument abgelehnt, dass es zur Verbesserung der Lärmsituation technisch aufwändige Massnahmen brauche und diese sich am besten durch Ersatzneu­bauten realisieren liessen. Ersatzneu­bauten lohnten sich jedoch angesichts der bestehenden zonenrechtlichen Beschränkungen nicht.

Hohrainli Vogel

Das Quartier Hohrainli zwischen Kaserne, Feldern, Sportanlagen und dem überbauten Nordhang

Foto: © Googlemaps

Anfang 2015 brachte eine Änderung der Lärmschutzverordnung (LSV) Bewegung in die blockierte Situation. In Zonen, die von Nachtfluglärm betroffen sind, durften unter gewissen Bedingungen wieder Bauzonen aus­geschieden bzw. angepasst werden. Plötzlich lag im Hohrainli eine Auf- bzw. Umzonung wieder im Bereich des Denkbaren. Für eine Zonenänderung brauchte es allerdings gemäss LSV eine «Gesamtbetrach­tung», u.a. um die bestehenden Qualitäten zu sichern. Vor diesem Hintergrund führte die Anlagestiftung Turidomus als grösste Eigentümerin zusammen mit der Stadt Kloten 2016/17 einen Studienauftrag für ein städtebauliches Konzept durch. Gewonnen hat ein Beitrag, der die bestehenden Bauten und Freiräume am besten berücksichtigte. Das Konzept zeigte die Ziele und den Entwicklungsrahmen für einzelne Teile des Quartiers («Nachbar­­schaf­ten») auf. Gleichzeitig gab es vor, wie die identitätsstiftenden Merkmale des Quartiers, vor allem die «fliessenden» Grün- und Freiräume, gesichert und weiterentwickelt werden sollen.

Im Anschluss an den Wettbewerb folgte der aus planungsrechtlicher Sicht bemerkenswerte Schritt: Es galt nun, die formulierten Qualitäten planungsrechtlich zu sichern und zugleich Flexibilität zu gewährleisten. Die damals noch 31 Eigentümer:innen sollten ihre Immobilien je nach Absichten und Möglichkeiten zeitlich unabhängig voneinander weiterentwickeln können, ohne dass dabei die gegenseitige Abstimmung verloren geht. Die Stadt Kloten entschied sich gegen eine Sondernutzungsplanung, wegen der Grösse des Quartiers und der stark variierenden Erneuerungsabsichten der Eigentümerschaften. Zudem war die Stadt skeptisch, ob die im städte­baulichen Konzept vorgesehenen Qualitäten genügend verbindlich verankert und eingefordert werden konnten.

Die Stadt entschloss sich schliesslich für die Einführung einer Quartiererhaltungszone (QEZ) gemäss §50 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes (PBG). Eine QEZ ist ein Ergänzungsplan zur kommunalen Bau- und Zonenordnung. Gemäss PBG umfassen Quartiererhaltungs­zonen eigentlich «in sich geschlossene Ortsteile mit hoher Siedlungsqualität, die in ihrer Nutzungsstruktur oder baulichen Gliederung erhalten oder erweitert werden». Für die QEZ im Hohrainli wurden die Entwicklungsvorstellungen, die im städtebaulichen Wettbewerb formuliert worden waren, kreativ uminterpretiert und angepasst: Als charakterprägend für die «Bebauungs­struktur» wurden nämlich die Freiräume und nicht die Gebäude eingestuft.

Zwischen August und November 2020 wurde die Teilrevision der Bau- und Zonenordnung «Quartier Hohrainli» öffentlich aufgelegt (vgl. Bericht nach Art. 47 RPV). Die Vorlage mit der neuen Quartiererhaltungszone basierte auf dem erwähnten Studienauftrag für das städtebauliche Konzept und dem sozialen Quartier­entwicklungs­konzept Hohrainli. Dieses Konzept aus dem Jahr 2019 beinhaltet die wesentlichen Prinzipien zur Freiraum-, Bebauungs- und Nutzungsstruktur und zur Erschliessung sowie Ziele und Massnahmen zur Aktivierung der Nachbarschaft. Das Konzept soll gemäss dem neuen Art. 15b der aufgelegten teilrevidierten Bauordnung «richtungsweisend» für die Entscheide der Quartiererneuerung sein. In den Art. 15c-k werden alle weiteren Vorgaben zur Transformation in der Bauordnung verankert. Geregelt werden unter anderem Gestaltung, Nutzungen, Freiräume, Bepflanzung und Quartierverbindungen.

Die BZO-Teilrevision wurde im Juni 2022 vom Stadtrat an den Gemeinderat überwiesen. Parallel zur lang­wierigen Planung läuft ein nachbarschaftsbildender Prozess. Unter Einbezug der Bewohnenden soll eine intensivere Nutzung und Aneignung sowie eine variablere Gestaltung der Freiräume erreicht werden, die bis anhin vorwiegend als «Abstandsgrün» fungieren. Dieser Prozess wurde vor Jahren über ein ZHAW-Forschungs­projekt initiiert, welches aktuell im eingangs erwähnte Modellvorhaben des Bundes fortgeführt wird. Seit April 2021 laufen verschiedene auf die (Um-)Gestaltung ausgerichtete Aktivitäten, wie etwa ein Tag der Nachbar­schaft, ein Herbstfest, gemeinsames Gärtnern oder Vorbereitungen für ein Treffpunkt-Projekt.

Wieso ist das Quartier Hohrainli in Kloten ein spannendes «Labor der Innenentwicklung»? Es zeigt, dass die Entwicklung im überbauten Gebiet mehr Kreativität bei der Anwendung der bestehenden nutzungsplanerischen Instrumente und Prozesse erfordert. Die klassischen Zonenbestimmungen der BZO bieten zu wenig Lenkungs­möglichkeiten, um eine qualitätsvolle Transformation überbauter Gebiete gewährleisten zu können. Daher sollten Planungen, deren Konkretisierungsgrad zwischen Gestaltungs- und Zonenplanung zu verorten ist, kreativ die Möglichkeiten des bestehenden Instrumentariums nutzen – im Hohrainli ist dies die Quartiererhaltungszone. Der «Ergänzungsplan Städtebau Quartier Friesenberg» der Stadt Zürich ist ein anderes Beispiel für diese Tendenz. Hohrainli zeigt aber auch: In der Innenentwicklung braucht es Konzepte und Massnahmen, welche die bestehende Bevölkerung mitnehmen und aktivieren. Solche Prozesse lohnen sich mittelfristig sowohl für die Eigentümer:innen als auch für die öffentliche Hand. Davon profitieren werden in Zukunft hoffentlich auch die zusätzlichen Bewohner:innen, die im Quartier wohnen werden.