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16. Dezember 2024 | Öffentliche Veranstaltung vom 21.11.2024

Intensiv zusammenarbeiten, Silodenken überwinden, radikal denken, aber umsichtig handeln – Kommentare zu den drei aktuellen Schwerpunkten der Strategie Plus Zürich 2050

An der öffentlichen Veranstaltung vom 21.11.2024 hat die RZU ihre neue Verbandsstrategie Plus Zürich 2050 vorgestellt und die Umsetzung der Strategie gestartet. Direktor Angelus Eisinger stellte die drei Schwerpunkte vor, mit denen der Vorstand in die Umsetzung der Strategie einsteigen will:

1) Wohnraum für die wachsende Bevölkerung schaffen – mit dem Bestand als Ausgangspunkt: Im ersten Schwer­punkt soll über die nächsten zwölf Monate aufgezeigt werden, wie der zukünftige Wohn­raum­bedarf durch eine Balance zwischen Gebäudebestand und Neubau abgedeckt werden kann (Folien 27–31).

2) Gemeinsam den Agglomerationsverkehr der Zukunft entwerfen: Im zweiten Schwerpunkt wollen die beteiligten Mitglieds­regionen eine verkehrspolitische Vision und ein funktional­räumliches Verständnis des Agglomerationsverkehrs der Zukunft erarbeiten. Die Bearbeitung ist aktuell auf etwa eineinhalb Jahre ausgelegt (Folien 32–36).

3) Die Landschaft grossmassstäblich planen: Im dritten Schwerpunkt lotet die RZU zusammen mit ihren Mitgliedern die Heraus­forderungen, Potentiale und Ansätze aus, um die Landschaften und Freiräume auf funktionalräumlicher Ebene vernetzen zu können. Der Schwerpunkt ist auf eineinhalb Jahre Bearbeitungszeit ausgelegt (Folien 37–41).

Die RZU hatte drei ausgewiesene Fachpersonen ausserhalb des Zürcher Grossraums gebeten, die drei Schwerpunkte vor dem Hintergrund ihrer täglichen Arbeit und der kommenden Herausforderungen zu kommentieren: Marie Glaser (Leiterin Bereich Grundlagen Wohnen und Immobilien, BWO), Ariane Widmer Pham (Kantonsplanerin, Genf) und Stephan Erne (Geschäftsführer movaplan), der jedoch aufgrund des starken Schneefalls nicht an der Veranstaltung vom 21. November teilnehmen konnte.

Kommentar zum Schwerpunkt «Wohnraum für die wachsende Bevölkerung schaffen»

Marie Glaser verwies in ihrem Kommentar auf die ähnlichen Zielsetzungen des Aktionsplans Wohnungs­knappheit vom Februar 2024 (vgl. Folien 43–46). Der Aktionsplan des Bundes wurde unter Einbezug der Kantone, Städte und Gemeinden sowie der interessierten Kreise, namentlich der Bau- und Immobilienwirtschaft, erarbeitet. Der Aktionsplan empfiehlt über 30 Mass­nahmen, damit das Wohnungsangebot erhöht und mehr qualitätsvoller, preis­günstiger und bedarfsgerechter Wohnraum geschaffen wird. Die Massnahmen zielen dabei auch darauf ab, die Innenentwicklung zu erleichtern und qualitätsvoll umzusetzen und die Verfahren zu beschleunigen. In ihrem Referat wies Marie Glaser auf verschiedene abgeschlossene und laufende Studien hin, die unter anderem die Bereitstellung von preisgünstigem Wohnraum und Möglichkeiten zur Steuerung des Wohn­flächen­­konsums behandelten (Folie 46). Die Verringerung des durchschnittlichen Pro-Kopf-Wohnflächen­konsums wäre nicht nur aus Gründen des Ressourcen- und Klimaschutzes wünschenswert – zum Beispiel auf 35 Quadratmeter, wie der Bericht Wohnen mit geringer Umweltwirkung aus dem Jahr 2020 vorschlägt. Die Verringerung unserer Flächenansprüche würde auch dazu beitragen, genügend Wohnraum für die wachsende Bevölkerung bereit zu stellen.

Kommentar zum Schwerpunkt «Landschaft grossmassstäblich planen»

Ariane Widmer Pham führte aus, dass Landschaft viel mehr als Ästhetik ist, denn sie bringt viele Leistungen, die wir als Menschen brauchen (vgl. Folien 47–63). Die Landschaft stiftet Identität und Wohlbefinden, sie dient der Nahrungsmittel­produktion und ist das Fundament allen Lebens («socle du vivant»). In der Phase des starken Wachstums trug man zu wenig Sorge zur Landschaft, gerade in den Agglomerations­räumen. Des­halb steht die Landschaft heute unter Druck. In Zukunft gilt es wieder, unser Zusammenleben mit der in der Landschaft neu zu gestalten und die Landschaft als Teil von etwas Grösserem, als globale, vielschichtige und vernetzte Grundlage unseres Lebens zu behandeln. Das ist keine abstrakte Aufgabe, denn Landschaft wird über konkrete Projekte gestaltet, in denen wir als Planende kontinuierlich begleiten, steuern und Synergien finden müssen – unter anderem zwischen Renaturierung, Gewässer- und Hochwasserschutz, Innenentwicklung, Freiraum, Erho­lung und Mobilität («réflexe paysage»). Um diese Synergien zu finden, müssen wir disziplinen­über­greifend zusammenarbeiten: Siedlungsplaner, Landschaftsarchitektinnen, Verkehrsplaner, Agrarexpertinnen und Ökologen. Denn das disziplinäre «Silodenken» hindert uns daran, einen angemessenen Umgang mit der Landschaft zu finden. Diese Leitlinien für den zukünftigen Umgang mit der Landschaft erläuterte Ariane Widmer anhand konkreter Beispiele, unter anderem der Planungen und Projekte an den Flüsschen Aire und Drize. Aus ihrer Sicht bringt der Strategiebaustein Landschaften und Freiräume all diese Ziele auf den Punkt: «Wir setzen uns für attraktive und vielfältige Landschafts- und Freiräume ein, die viele Aufgaben gleichzeitig erfüllen können – zugunsten von Bevölkerung, Natur und Klima.»

Fünf Erkenntnisse aus der Podiums- und Plenumsdiskussion

Aus der abschliessenden Podiums- und Plenumsdiskussion leitet die RZU fünf Erkenntnisse ab, die in die Bearbeitung der drei Schwerpunkte einfliessen werden:

1) Eine intensivere Zusammenarbeit ist der Schlüssel für eine zukunftsfähige Entwicklung des Funktionalraums. Dies gilt sowohl für die Wohnraum­versorgung als auch für den Agglomerationsverkehr und für den Umgang mit der Landschaft auf funktional­räum­licher Ebene.

2) Das «Silodenken» muss überwunden werden, im planerischen Alltag, bei konkreten Projekten aber auch in unseren planerischen Instrumenten und gesetzlichen Vorgaben: nur mit vernetztem Denken und Handeln können wir die Synergien und Chancen nutzen, die sich in den immer intensiver genutzten Agglomerationsräumen ergeben.

3) Um bei den komplexen Themenstellungen weiter zur kommen braucht es auch «radikales Denken», aber verbunden mit umsichtigem Handeln. Das Denken jenseits der üblichen Pfade hilft dabei, innovative Ansätze und Lösungen zu entwickeln. Das umsichtige Handeln sorgt dafür, dass diese neuen Lösungen so ausgestaltet sind, dass sie praktisch umsetzbar sind und in die Alltags- und Lebenswelt der Menschen passen. Ein gutes Beispiel ist die Einführung von Taktfahrplan und Halbtax-Abonnement.

4) In Zukunft müssen wir vermehrt über die Hindernisse und Fehlanreize diskutieren, die uns an der Umsetzung unserer planerischen Ziele hindern: bei der Wohnraumversorgung, in der Mobilität und in der Landschaft. Verursacherprinzip, Kostenwahrheit und variable Preise sind dabei prüfenswerte Ansätze, auch wenn sie momentan noch umstritten sind.

5) Schliesslich sind konkrete Beispiele zentral: Sie können abstrakte Sachverhalte vereinfachen und aufzeigen, was in der Praxis bereits möglich und umsetzbar ist. Das ist auch das Ziel der Datenbank Plus Zürich 2050, die im Januar 2025 aufgeschaltet wird.