Handlungsansätze ausloten – am 7. Februar fand die abschliessende, dritte Veranstaltung des Erfa Zukunft Bestand statt. Rund 30 Teilnehmende diskutierten Handlungsansätze für einen energie- und ressourcenschonenden Umgang mit bestehenden Gebäuden und Siedlungen. Nach der Einführung durch RZU-Direktor Angelus Eisinger berichteten vier Expert:innen über ihre praktischen Erfahrungen beim Umgang mit dem Bestand. Sie schlugen Ansätze zur Überwindung rechtlicher und prozessualer Hürden vor, damit der Bestand im Planungs- und Bauprozess besser berücksichtigt werden kann.
Jasmin Hüni (Baubüro in situ AG) sprach über die Schwierigkeiten bei der Bewilligung von Umbauten und ging vertieft auf die Rolle der öffentlichen Verwaltung ein. Ein vernünftiger Umgang mit Bestand wird v.a. dann erschwert, wenn unterschiedliche Genehmigungsinstanzen ihre Anforderungen isoliert einbringen, diese erst spät im Prozess geltend machen oder sogar bereits gemachte Vorgaben wieder ändern. Sie plädierte für mehr Augenmass, eine fallweise und ämterübergreifende Gesamtbetrachtung sowie einen ausgeprägteren Bestandsschutz bei der Beurteilung von Umbauprojekten.
Maja Saputelli (Saputelli Baurecht) fokussierte auf die rechtlichen Spielräume. Sie sprach über die höheren Anforderungen bei neubauähnlichen Sanierungs- oder Umbaumassnahmen, welche jedoch meistens lösbar sind. Als wesentlichere Hürden sieht sie die Masse (Höhe, Geschosse, Grenzabstände), die in den kommunalen Bauordnungen festgelegt sind. Diese kommen bei der Veränderung des Bestands (Umbauten und Aufstockungen) zum Tragen und verunmöglichen so immer wieder sanftere Erneuerungsoptionen. Andererseits befinden sich genau diese Regeln in der Kompetenz der Gemeinden und könnten daher vergleichsweise einfach mit einer BZO-Revision angepasst werden.
Philipp Fischer (Enzmann Fischer Partner AG) sprach über die aussergewöhnliche Situation in der Stadt Zürich. In den letzten 35 Jahren wurde jedes sechste Gebäude in der Stadt Zürich durch einen Neubau ersetzt. Am Beispiel des Wettbewerbs für ein Schulhaus auf dem Manegg-Areal zeigte er auf, dass wesentliche Weichen bei der Frage Weiterentwickeln oder Neubau bereits mit der Bestellung und Ausschreibung gestellt werden. In dieser Phase werden häufig bereits Vorentscheidungen zum Umgang mit bestehenden Bauten getroffen, bevor eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Potenzial des Vorhandenen stattgefunden hat. Letzteres zeigten einzelne Wettbewerbsbeiträge zur Schule Manegg, die sich der Ersatzneubau-Vorgabe widersetzt haben, deutlich auf.
Friederike Pfromm (Basler & Hoffmann AG) richtete ihren Fokus auf die Möglichkeiten der öffentlichen Hand bei der Bewirtschaftung ihrer Liegenschaften. Diese Portfolioperspektive bietet die Chance, die Erneuerungsstrategie auf Gebäude zu konzentrieren, die hinsichtlich Treibhausgasemissionen und Zustand am schlechtesten einzustufen sind. Bei diesen «bösen Buben» sind die positiven Effekte, die erzielt werden können, am stärksten. Hinsichtlich Reduktionszielen sollte eine Gemeinde neben der Energieeffizienz unbedingt auch die graue Energie der Gebäudeerstellung berücksichtigen. Bei Entscheidungen über den Umgang mit Bestand (Sanierung oder Ersatz) sollten neben der Gesamtenergiebilanz auch die Gesamtkosten einer 100-jährigen Nutzungsdauer (LCC, Life-Cycle-Costing) berechnet werden.
Im Anschluss an die Referate diskutierten die Teilnehmenden die Vorschläge in Kleingruppen und spiegelten sie mit ihren Erfahrungen. In einem «Blitzlicht» wurden die Rückmeldungen der Kleingruppen eingeholt und anschliessend im Plenum zusammen mit den Expert:innen eingeordnet.
Die Erkenntnisse der dritten Veranstaltung werden im nächsten Schritt ausgewertet und im Sinne einer Gesamtauswertung des Erfa-Prozesses aufbereitet. Die präsentierten Folien stehen den RZU-Mitgliedern im passwortgeschützten Bereich zur Verfügung.