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9. Dezember 2021 | Öffentliche Veranstaltung

Energiewende im Bestand – Fazit zur öffentlichen Veranstaltung vom 25.11.2021

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Referat von Romeo Deplazes, Energie 360°

Fotos: © RZU

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Podiumsdiskussion mit Barbara Schaffner, Albert Gubler und Alex Nietlisbach (Moderation: Roman Dellsperger)

Die öffentliche Veranstaltung der RZU vom 25. November 2021 zeigte die Herausforderungen und Handlungs­möglichkeiten der Gemeinden bei der Umsetzung der angestrebten «Energiewende» auf.

Aus der Online-Veranstaltung, an welcher insgesamt 56 Personen teilnahmen, zieht die RZU ein Fazit mit den nachfolgenden fünf Punkten. Das Fazit basiert auf den insgesamt sechs Referaten und der abschliessenden Podiumsdiskussion mit Barbara Schaffner (Nationalrätin, Gemeindepräsidentin Otelfingen), Albert Gubler (Gemeinde Regensdorf) und Alex Nietlisbach (AWEL, Kanton Zürich). Der Foliensatz zur Veranstaltung kann hier heruntergeladen werden.

1) Energie ist ein Thema für die Raumplanung – und wird es in Zukunft noch vermehrt sein. RZU-Direktor Angelus Eisinger zeigte in seiner Einleitung (Folien 4–8) auf, dass das Thema Energie in jüngster Zeit erheblich an Bedeutung für die Raumplanung und den Städtebau gewonnen hat. Zum Beispiel wird über die landschaftlichen Auswirkungen einer intensivierten Wasser-, Wind- und Solarenergie-Nutzung diskutiert. Beim Umgang mit den bestehenden Gebäuden wird der Erhalt der darin gespeicherten «grauen Energie» vermehrt berücksichtigt. Oder der angestrebte Ausbau von Wärme- und Energieverbünden bedingt eine Koordination mit der zukünftigen Raum- und Siedlungsentwicklung. Schliesslich könnte der Klimaschutz beziehungsweise die Klimaanpassung, die mit dem Thema Energie eng gekoppelt sind, in Zukunft sogar zu einem beherrschenden Thema («Game-Changer») für Raumplanung und Städtebau werden.


2) Städte und Gemeinden haben im Bereich Energie vielfältige Instrumente und Handlungsmöglichkeiten
. Sie können mit einer proaktiven Haltung wesentlich zur Umsetzung der Energiewende beitragen. In den insgesamt sechs Referaten sowie in der Podiumsdiskussion wurden verschiedene Ansätze aus den Bereichen Mainstreaming, Planen, Bauen und Beratung erwähnt:

Für ein «Mainstreaming» des Themas bestehen viele Möglichkeiten. Zum Beispiel verpflichten sich Städte und Gemeinden mit dem Label Energie­stadt, sich kontinuierlich für eine effiziente Nutzung von Energie, für den Klimaschutz und erneuerbare Energien sowie für eine umweltverträgliche Mobilität einzusetzen. Solche Ziele und Absichten geben den Auftrag für entsprechende kommunale Aktivitäten in den Bereichen Planen, Bauen und Beratung und können, wie etwa in Mettmenstetten (2020), auch in kommunalen Energieleitbildern verankert werden (Folie 26). Wichtig ist dann aber auch, dass in den Städten und Gemeinden auch die personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen, um Projekte in den Bereichen Energie und Klima durchführen oder begleiten zu können.

Die Energieplanung legt die beabsichtigte Entwicklung der Energieversorgung und der Energienutzung fest und bezeichnet die dazu notwendigen Mittel und Massnahmen. Alex Nietlisbach (Abt. Energie, AWEL, Kanton Zürich) wies in seinem Referat unter anderem auf das erhebliche Potenzial zur Nutzung von lokal erneuerbarer Wärme aus Luft, Wasser, Holz und Erdwärme und von Abwärmequellen hin. Oftmals ist für die Nutzung dieses Potenzials jedoch eine räumliche Koordination erforderlich, das heisst die Energienachfrage und das lokal vorhandene Potenzial müssen aufeinander abgestimmt sein (z.B. mit Wärmeverbünden) (Folie 15). Die Energieplanung kann deshalb Gebietsausscheidungen für das Angebot der Wärmeversorgung mit «leitungsgebundenen Energieträgern» enthalten, die insbesondere bei Massnahmen der Raumplanung als Entscheidungsgrundlage dienen. Viele der neueren kommunalen Energieplanungen im Kanton Zürich nutzen diese Möglichkeiten bereits, wie etwa in Horgen (2020), Urdorf (2021) und Kloten (2020) (Folie 17).

Die Gemeinden haben die Möglichkeit, in der BZO Vorgaben betreffend Ausstattung mit Energieinfrastrukturen und der Nutzung von erneuerbaren Energien festzulegen. Die Gemeinde Aeugst a.A. hat zum Beispiel in ihrer BZO aufgenommen, dass in Sammelgaragen gut zugängliche und leistungsstarke Elektroanschlüsse für Elektrofahrzeuge anzuordnen sind (Folie 29). Zusätzlich verfügen die Städte und Gemeinden über Steuerungsmöglichkeiten in der Sondernutzungsplanung: In Gestaltungsplänen oder bei Arealüberbauungen können sie – abgestimmt auf die kommunale Energieplanung – etwa die Nutzung von erneuerbaren Energien oder den Anschluss an Energieverbünde einfordern. Gemäss dem geänderten Energiegesetz, das voraussichtlich 2022 in Kraft treten wird, müssen Öl- und Gasheizungen künftig in der Regel am Ende ihrer Lebensdauer durch klimaneutrale Heizungen ersetzt werden.

Städte und Gemeinden sollen bei kommunalen Gebäuden und Anlagen sichtbar eine Vorbildfunktion einnehmen, die von privaten Bauherr*innen und der Bevölkerung wahrgenommen wird (Folie 20). Diesbezüglich erwähnte Energieberater Roman Bolliger (INDP) in seinem Referat verschiedene laufende oder abgeschlossene Projekte, die durch die Energieregion Knonaueramt unterstützt wurden, u.a. die Holzschnitzelheizungen der Primarschulen in Aeugst am Albis und Mettmenstetten (Folie 27). Der Kanton Zürich hat 2021 den Standard Nachhaltigkeit Hochbau erneuert. Dort finden sich mit dem Schwerpunkthema Energie Vorgaben für nachhaltiges Bauen bei den kantonalen Liegenschaften. Auf der Webseite des Labels «Energiestadt» sind viele weitere Praxisbeispiele für bereits umgesetzte Projekte zum Thema Energie zu finden. An der Veranstaltung vom 25.11. wurden zudem viele konkrete Praxisbeispiele erwähnt, die von Gemeinden zusammen mit Energieversorgern oder von Energieversorgern im Alleingang geplant und umgesetzt wurden. Romeo Deplazes (Energie 360°) führte zum Beispiel aus, dass aktuell in Zürich-Tiefenbrunnen ein Energieverbund entwickelt wird. Dieser soll in Zukunft etwa 3'500 Einwohner*innen mit erneuerbarer Energie aus dem Seewasser beliefern (Folien 59–62). Als weiteres Praxisbeispiel erwähnte Romeo Deplazes den kommunalen Wärmeverbund Nord in Embrach. Der Verbund produziert die lokal nachgefragte Wärme zu 90% mit Holzschnitzeln, die vorwiegend aus dem gemeindeeigenen Wald stammen (Folie 64).

Im Kanton Zürich bieten sehr viele Gemeinden eine kostenlose oder vergünstigte Energieberatung an. Grössere Städte haben eigene kommunale Lösungen, während mittlere Gemeinden teilweise mit Nachbargemeinden kooperieren, unter anderem in der Energieregion Knonaueramt (Folie 22). Dabei kann auf die verschiedenen Anreize und Fördermöglichkeiten hingewiesen werden, die der Bund, der Kanton oder teilweise auch die Städte und Gemeinden anbieten. Beispiele sind das Gebäudeprogramm von Bund und Kantonen, das Förderprogramm Energie des Kantons Zürich oder das Förderprogramm Energie Winterthur. Eine Übersicht gibt die Webseite Energiefranken.

2018 hat das AWEL die Broschüre Energie in Gemeinden herausgegeben, welche die zentralen Arbeitsbereiche auf kommunaler Ebene aufzeigt. Für 2022 ist eine Überarbeitung der Broschüre geplant, welche unter anderem auf das revidierte kantonale Energiegesetz abgestimmt ist.

3) Die Energiewende muss insbesondere im bestehenden Gebäudepark angegangen werden. Partizipation und Kommunikation können zur Erhöhung der Sanierungsrate im Bestand beitragen. Jedes Jahr wird nur ca. 1 % der Gebäude in der Schweiz erneuert. Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, sollte die Rate jedoch verdoppelt werden. An der RZU-Veranstaltung zeigten Christian Freudiger (Amt für Energie des Kantons Genf) und Rebekka Ryf (intep) auf, dass Partizipation und Kommunikation dafür Schlüsselressourcen sind. Zu berücksichtigen sind dabei u.a. Eigentümerschaften, Fachleute, Energieversorger aber auch die Bewohner*innen.

Christian Freudiger beleuchtete verschiedene kommunale Massnahmen zur Förderung der energetischen Sanierung von Gebäuden (Folien 68–77). Diese setzen sich aus einem Mix aus rechtlichen Vorgaben, steuerlichen Anreizen und Fördermassnahmen zusammen. Ein Zielkonflikt kann zwischen der energetischen Sanierung und günstigen beziehungsweise stabilen Wohnungsmieten bestehen. Im Programm Onex-Rénove der Gemeinde Onex haben deshalb Kommunikationsfachleute die Aufgabe, vor, während und nach den Renovierungsarbeiten mit den Bewohner*innen der betroffenen Liegenschaften zu kommunizieren (Folie 76).

Rebekka Ryf zeigte anhand des Projekts SAN-CH auf, wie Eigentümerschaften und Fachleute (z.B. Bauunternehmen, Architekturbüros oder Energiedienstleister) frühzeitig zusammengebracht werden können, um die Bedürfnisse und Kenntnisse der verschiedenen Gruppen aufeinander abzustimmen und damit Sanierungsprojekte anzustossen. Politik und Verwaltung in den Städten und Gemeinden dienen dabei als Katalysatoren für solche Projekte. Aktuell wird das Projekt SAN-CH u.a. in der Stadt Baden durchgeführt.


4) Die Energiewende ist eine grosse Herausforderung für die Werke und Netze von Gemeinden und Energiedienstleistern. Ein besonderes Augenmerk gilt der Gasversorgung.
Heinz Wiher (Energiefachstelle Stadt Winterthur) zeigte in seinem Referat auf, was der kommunale Energieplan für die Winterthurer Stadtwerke bedeuten wird: Nötig sind unter anderem der Ausbau der Wärmenetze um etwa 100 km und 2000 Anschlüsse, der Aufbau von ca. 5 Heizzentralen sowie Netzverstärkungen im Stromnetz. Letztere braucht es wegen der erwarteten zusätzlich etwa 7000 Wärmepumpen und dem angestrebten Ausbau der E-Mobilität (Folie 51).

Heinz Wiher (Energiefachstelle Stadt Winterthur) und Romeo Deplazes (Energie 360°) sprachen auch die Zukunft der Gasnetze an. In Zukunft soll das Gas in der Regel nur noch als Prozessgas für Industrie und Gewerbe sowie für die Spitzenabdeckung für Quartierwärmeverbünde genutzt werden. Die Gasnetze werden deshalb mittel- bis langfristig entsprechend verkleinert oder wie in Zürich Nord sogar stillgelegt. Der damit verbundene Rückbau ist ein komplexes Vorhaben. In der Stadt Winterthur müssen beispielsweise etwa 100 km Gasnetz und 3000 Anschlüsse zurückgebaut werden (Folie 51). Zu berücksichtigen sind dabei u.a. die Versorgungssicherheit für die immer weniger werdenden Gasbezüger, der Investitionsschutz sowie der kommunale Finanzhaushalt. Städte und Gemeinden sollten sich deshalb frühzeitig um die Zukunft ihrer Gasversorgungsinfrastruktur kümmern und die Gas-Strategie in der periodisch nachgeführten Energieplanung abbilden.


5) Die Energie ist auch ein regionales Thema. Das Referat von Energieberater Roman Bolliger (INDP) über die Energieregion Knonaueramt zeigte auf, dass sich auch Regionen im Bereich Energie engagieren können (Folien 22–31). Die zur Standortförderung Knonaueramt gehörende Energieregion verfolgt das Ziel, dass bis ins Jahr 2050 80 % des Energiebedarfs der Region mit erneuerbaren Energieträgern aus der Region gedeckt wird. Die Gemeinden profitieren unter anderem von Synergien bei der Energieberatung sowie bei der Erstellung von Potenzialanalysen und Massnahmenvorschlägen, u.a. in den Bereichen Holz, Sonne, Wind und Biomasse. Seit mehreren Jahren verfolgt die Energieregion als «Leuchtturmprojekt» eine Überdachung der Autobahn A4 auf einer Länge von 3,3 Kilometern. Damit kombiniert sollen Solar- und Windenergie in der Höhe von mindestens 40 Gigawattstunden im Jahr gewonnen werden (Folie 31).

  • Roman Bolliger (INDP, Berater der Energieregion Knonaueramt)
  • Albert Gubler (Gemeinde Regensdorf)
  • Roman Dellsperger (Moderation)
  • Romeo Deplazes (Energie 360°)
  • Christian Freudiger (Amt für Energie des Kantons Genf)
  • Alex Nietlisbach (Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft des Kantons Zürich, AWEL)
  • Barbara Schaffner (Nationalrätin, Gemeindepräsidentin Otelfingen)
  • Rebekka Ryf (intep)
  • Heinz Wiher (Energiefachstelle Stadt Winterthur)

Der Foliensatz zur RZU-Veranstaltung vom 25.11.2021 kann hier heruntergeladen werden. Der aufgezeichnete Live-Stream der Veranstaltung steht für Vertreter*innen aus dem RZU-Mitgliederkreis im passwortgeschützten Mitgliederbereich zur Verfügung.