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14. Juli 2022 | Mobilität

Das automatisierte Fahren und die zukünftige Siedlungsentwicklung: Werkstattbericht aus dem RZU-Impulsprojekt

Die Digitalisierung ist einer der grossen Megatrends, die unseren Alltag in Zukunft prägen werden. Die Digi­­tali­sierung wird auch unsere Mobilität und die Mobilitäts­angebote massgeblich verändern. In diesem Zusammen­hang beflügelt vor allem das automati­sier­te Fahren schon seit längerem die Fantasien. Die Medien zeichnen bunte Zukunftsbilder von selbstfahrenden Fahrzeugen. Doch welche Folgen wird das automatisierte Fahren für einen Funktionalraum wie den Grossraum Zürich haben? Wird sich das automatisierte Fahren unterschiedlich auf die städtischen, agglomerierten und ländlichen Räume auswirken?

Um diese Fragen zu beantworten führt die RZU seit Mitte 2021 ein Impulsprojekt zu den Folgen des auto­matisierten Fahrens durch. Das Projektteam bilden der Forschungsbereich für Verkehrs­systemplanung (move), das future.lab der Technischen Universität Wien sowie Austriatech. Das Projekt wird vom Bundesamt für Strassen ASTRA finanziert.

Im Juni hat das Projektteam die bisher erarbeiteten Erkenntnisse in einem mehrtägigen Workshop gemeinsam reflektiert. Die Resultate wurden ausserdem der Begleitkommission des Forschungsprojekts vorgestellt, die sich aus Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen der Mobilität und Raumplanung zusammensetzt. Zwei zentrale Thesen des Projektes wurden dabei behandelt. In der ersten These geht es um die unterschiedliche Eignung des Strassennetzes im RZU-Gebiet für den Einsatz automatisierter Fahrzeuge, die sich je nach konkretem räumlichem Kontext unterscheidet. Gemäss den bisherigen Erkenntnissen eignen sich Bereiche mit einem höheren Komplexitätsgrad weniger für eine Automatisierung. Beispiele sind Kernstädte oder Dorfzentren, in denen eine grössere Aktivitätsdichte herrscht und verschiedene Verkehrsmittel und -arten miteinander interagieren. Hingegen erscheint eine Automatisierung auf Strecken mit ähnlichen Geschwindigkeiten der Verkehrsteilnehmenden und wenigen Querungen oder Einfahrten, wie zum Beispiel auf Autobahnen, mittelfristig realistisch.

Als zweite These widmet sich das Projekt der zukünftigen Nutzung von Flächen, die aktuell vom motorisierten Individualverkehr genutzt, in Zukunft aber nicht mehr benötigt werden. Dieser Aspekt wurde bis anhin in der Forschung kaum reflektiert. Das Automobilzeitalter hat wie schon das Eisenbahnzeitalter eine eigene Infra­struktur mit sich gebracht. Waren es im Eisenbahnzeitalter Bahnhöfe, Schienenstränge oder Rangierflächen, die teilweise mitten durch gewachsene Siedlungsgebiete gelegt wurden, so entstand auch mit der Massen­automobilisierung nach 1960 eine eigene Infrastruktur von Autohäusern, Tankstellen, Parkierungsflächen, Parkhäusern und einigem mehr. Dies hinterlässt in unseren aktuellen Siedlungsräumen einen erheblichen räumlichen Fussabdruck, wenn auch deutlich dezentraler und kleinräumiger als die Infrastrukturen der Eisenbahn. Mit fortschreitender Automatisierung des Fahrens dürften viele dieser Flächen frei werden und für andere Nutzungen zur Verfügung stehen, zum Beispiel für das zukünftige automatisierte Verkehrssystem, für die Innenentwicklung oder als Freiraum.

Als nächster Meilenstein steht im Herbst ein Workshop mit wichtigen Stakeholdern aus dem RZU-Gebiet an. In diesem Workshop wird das Spannungsfeld zwischen verkehrs- und raumplanerischen Zielsetzungen einerseits und den potenziellen räumlichen Auswirkungen des automatisierten Fahrens andererseits im Zentrum stehen. Eine wichtige Rolle werden dabei konkrete, aus dem RZU-Gebiet abgeleitete Gebietstypen spielen, an denen die Potentiale und Herausforderungen, die mit dem automatisierten Fahren einher gehen könnten, ausgelotet werden.

Das Forschungsvorhaben wird voraussichtlich im ersten Quartal des kommenden Jahres abgeschlossen werden. Anschliessend wird die Geschäftsstelle der RZU die Ergebnisse zu Handen ihrer Mitglieder und ihrer Gemeinden aufbereiten. Mithilfe von griffigen Kernbotschaften sollen die politischen Verantwortlichen möglichst praxisgerecht auf mögliche Entwicklungen und ihre Implikationen aufmerksam gemacht werden. Die Projekt­erkenntnisse sollen dazu beitragen, dass der RZU-Mitgliederkreis frühzeitig Haltungen und Positionen zu den räumlichen Auswirkungen des automatisierten Fahrens entwickeln sowie geeignete Handlungsoptionen und Steuerungsmöglichkeiten identifizieren kann.