Anlässlich von 10 Jahren Volksabstimmung zu «RPG 1» führte die RZU 2023 eine Veranstaltungsreihe zur Umsetzung der Innenentwicklung, dem Hauptziel der damaligen Gesetzesrevision, durch. In der fünften Online-Veranstaltung vom 20.11.2023 stellte Kantonsbaumeister Beat Aeberhard die Situation im Basler Stadtkanton vor. Aeberhard betonte gleich eingangs, dass die Umsetzung von RPG1 für Basel keinen Paradigmenwechsel bedeutete und die Umsetzung im Basler Richtplan vergleichsweise einfach war. Vor dieser Ausgangslage skizzierte er die aktuelle Situation und die künftigen Herausforderungen der Basler Stadtentwicklung. Die Stadt Basel ist heute ein attraktiver Wohn- und Arbeitsstandort, der sich seit längerem in einer Wachstumsphase befindet. Dabei stellen die ehemaligen Areale der chemischen Industrie wie z.B. das Werkgelände Klybeck nicht einfach nur Transformationsareale oder -gebiete dar. Sie werden bewusst als Experimentierfelder und als Labore der Stadtentwicklung begriffen, in denen Prozesse und Vorhaben entwickelt und ausprobiert werden, die anschliessend auch anderen Stadtteilen zugutekommen können.
Basel-Stadt verfolgt vier Ansätze, wie unter der Vorgabe der Innenentwicklung Platz für weitere Entwicklung geschaffen werden kann. Neben der Verdichtung bzw. dem Weiterbauen im Bestand sind dies Aufzonungen, die nicht unumstrittenen punktuellen Verdichtungen z.B. durch Hochhäuser und schliesslich die gerade erwähnten Transformationen grosser Konversionsareale und Brachen, über welche Basel im Gegensatz zum Zürcher Grossraum noch verfügt. Doch räumliche Transformation erschöpft sich nicht in Umnutzungen und Nachverdichtungen. Die Stadtentwicklung in Basel wird, so Beat Aeberhard, in den letzten Jahren komplexer und politisch umstrittener. Ein wesentlicher Treiber dabei sind die steigenden politischen Ansprüche und die daraus resultierenden Aufträge. So besteht in Basel seit November 2022 der politische Auftrag, Netto-Null bis 2037 zu erreichen. Die wachsenden Ansprüche zeigen sich etwa auch bei politischen Vorstössen zu Stadtbäumen und zum Stadtklima und vor allem beim weitreichenden Auftrag zum Wohnraumschutz, der Anfang 2022 eingeführt wurde und um dessen Umsetzung nach wie vor gerungen wird.
In Basel kommt zu diesem breiten Strauss an Themen und Herausforderungen noch die Grenzlage dazu, die sich in einem Einzugsgebiet äussert, das im Elsass und südbadischen Raum beginnt und bis weit in die Nordwestschweiz reicht und unterschiedliche Planungskulturen kennt. Das Agglomerationsprogramm Agglo Basel ist hier ein wichtiger Hebel für eine gemeinsam gestaltete Entwicklung. Es brauche jedoch, betonte Aeberhard, eine Weiterentwicklung solcher Bemühungen in Richtung «resilienter Agglomerationen», da Basel-Stadt wesentliche zukünftige Aufgabenstellungen und Herausforderungen nur gemeinsam mit seinen in- und ausländischen Nachbarn lösen könne.
Vor dem Hintergrund dieser Auslegeordnung präsentierte Aeberhard fünf Thesen zur weiteren Stadt- und Raumentwicklung:
- Die erste These behandelte den Umgang mit dem Bestand, dem in der Stadtentwicklung längst nicht mehr nur eine denkmalschützerische Komponente zukomme. Der Bestand werde wohnpolitisch wie ressourcenbezogen künftig eine zentrale Rolle einnehmen. Zudem sei er auch für die Identität der Stadtquartiere von morgen zentral.
- Die zweite These bezieht sich auf das Themenfeld der Klimaanpassung und auf den politischen Auftrag in Basel-Stadt, Netto-Null bis 2037 zu erreichen. Diese Herausforderungen zu meistern bedinge ein radikales Umdenken im Bauen an der Stadt. Die Stichworte dazu lauten: Weiterbauen, regenerative Materialien, Re-Use Bauteilwiederverwendung und die konsequente Umsetzung des Schwammstadtprinzips beispielsweise über zwingende Fassadenbegrünung in Bebauungsplänen.
- In seiner dritten These kam Beat Aeberhard noch einmal explizit auf die Innenentwicklung zu sprechen. Sie sei nicht nur ein Dauerauftrag, sondern verlange nach kontinuierlichem Experimentieren. Ein zentrales Handlungsfeld bildet dabei eine Revision des Baugesetzes, das das Bauen bzw. Weiterbauen im Bestand stärke. Je näher man sich mit der Materie beschäftige, zeige sich da aber ein kaum überschaubares Geflecht von Abhängigkeiten. Das habe dazu geführt, dass bis anhin kein konkreter Entwurf für die Revision des Baugesetzes auf dem Tisch liege.
- Die vierte These forderte mit Blick auf die Zukunft Gesamtperspektiven ein. Diese sollen das «Silodenken» aufbrechen, das Planungs- und Verwaltungsprozesse häufig prägt. Die Stadt Basel hat deshalb unter dem Dach des Forum Städtebau «Basel 2050» die Begleitgruppe Städtebau Basel 2050 ins Leben gerufen. In dieser Begleitgruppe treffen sich die Verwaltungsspitzen regelmässig mit einem kleinen Kreis von externen Fachleuten, um die grossen Linien der Basler Städtebauentwicklung zu reflektieren – etwas, das im Alltag kaum Platz findet. Ein Produkt dieses fortgesetzten Dialogs bildete die Position 2022. Anlässlich der Dialogtage 2023 bildete die Position den Aufhänger, um mit der Basler Bevölkerung eine breite Debatte über die zukünftige Basler Stadtentwicklung zu lancieren. Aktuell werden die Erkenntnisse der Dialogtage in die Position 2024 überführt. Diese wiederum bildet eine wichtige Grundlage für die städtebauliche Weiterentwicklung, benennt Handlungsfelder und wird dem Basler Regierungsrat vorgelegt werden.
- Die abschliessende fünfte These rückt die Zusammenarbeit und den Dialog auf allen Ebenen in den Fokus. Beat Aeberhard forderte hier mehr Prozessvertrauen und den Mut zu kollektiver Autorenschaft. Hier gelte es Neuland zu betreten – beispielsweise indem Aneignungen durch Pioniernutzungen ermöglicht werden oder durch die partizipative Bauinventarisation, die den in diesem Feld üblichen Graben zwischen Experten- und Laienpositionen proaktiv behandelt.
In seinem Fazit strich Beat Aeberhard noch einmal die unverzichtbare Rolle der Stadt als Labor für die Bewältigung multipler Krisen hervor. In diesem Labor hätten sich die Parameter über die letzten Jahre fundamental geändert. Dies liege nicht nur am Ziel der Innenentwicklung, das mit RPG 1 verankert worden ist. Zentral sind auch die Herausforderungen, die mit Netto-Null, der Wohnungskrise und der Notwendigkeit, schonender mit unseren endlichen Ressourcen umzugehen, verbunden sind. «Tabula rasa», also der grossflächige Ersatzneubau, sei vor diesem Hintergrund kein zukunftsfähiges Rezept mehr. Vielmehr gelte es, sich den Bestand in seiner Vielfalt zur Lösung der Zukunftsaufgaben zu Nutze zu machen. Es sei dabei Aufgabe der öffentlichen Hand, selber aktiv gestaltend zu wirken und das Denken in engen sektoriellen Grenzen hinter sich zu lassen. Dabei sei darauf zu achten, dass Transformation immer mit einer «Stadtrendite» einhergehen müsse. Mit anderen Worten: Es muss darauf geachtet werden, dass die Bevölkerung von den konkreten Veränderungen vor Ort profitiert.
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